Als ich vor knapp zwanzig Jahren mein Buch „Sind Frauen bessere Menschen?“ und Artikel über die hohe Rate männlicher Opfer von häuslicher Gewalt veröffentlicht habe, war ich der einsame Rufer in der Wüste. Die Fakten waren auf meiner Seite, aber es gab noch weit weniger als heute Strukturen, um für solche Themen das nötige Bewusstsein zu schaffen.
Das hat sich vor allem dank der sozialen Medien des Internets geändert. Dort sind in der sogenannten „Mannosphäre“ in den letzten Jahren derart viele weltanschaulich und politisch unterschiedliche Plattformen entstanden, dass, so die Feministin Angela Nagle, „dies zweifellos als ‚digitale Revolution‘ verzeichnet worden wäre, wenn es sich um andere kulturelle und politische Milieus gehandelt hätte“. Diese Entwicklung blieb nicht ohne Wirkung. So erkannte eine 2016 veröffentlichte Studie des Bundesfrauenministeriums, dass inzwischen ein Drittel aller Männer für Positionen des Maskulismus empfänglich ist:
„Am häufigsten äußern junge Männer (68 %; besonders stark 26 %) den Wunsch nach einer offensiveren, differenzierten und systematischen Gleichstellungspolitik für Männer. Hier zeigt sich ein Generationeneffekt: Von den älteren zu den jüngeren Altersgruppen steigt der Anteil derer, die eine Gleichstellungspolitik für die Anliegen der Männer fordern, von 47% auf 68%.“
In der Schweiz beklagt bereits jeder zweite Mann Diskriminierung. In den USA finden 57 Prozent alle Befragten, die Gegenwart sei für junge Männer eine furchteinflößende Zeit.
Eine ganzheitliche Wahrnehmung der Anliegen beider Geschlechter wird in Politik, Leitmedien und dem akademischen Sektor hartnäckig blockiert. Trotz alldem konnten wir erste Erfolge durchkämpfen, und die deutsche Männerbewegung ist nicht mehr nur mein persönliches Ein-Mann-Projekt.
So gibt es inzwischen hochengagierte NGOs wie MANNdat und die IG Jungen, Männer, Väter, die die Mächtigen dieses Landes immer wieder auf unsere Anliegen ansprechen. MANNdat entsendet alle paar Jahre einen Referenten zur International Conference for Men’s Issues. Die „IG Jungen, Männer, Väter“ richtet jedes Jahr eine Pressekonferenz im Bundespressehaus der Regierung aus, worüber beispielsweise die „Süddeutsche Zeitung“ und die „Welt“ berichteten. Mit den „Liberalen Männern“ der FDP verfügt inzwischen auch die erste Bundestagspartei über eine männerpolitische Organisation.
Dreimal fand bislang unter Mitwirkung mehrerer NGOs der Deutsche Genderkongress statt, der die Geschlechterdebatte ganzheitlich betrachtet. Vom 13. bis 15. April 2018 veranstaltete die Universität Frankfurt trotz massiver männerfeindlicher Proteste den Wissenschafts-Kongress „Familienkonflikte gewaltfrei austragen“. Expertinnen und Experten aus aller Welt behandelten dort den aktuellen Stand der Gewaltforschung, dem zufolge häusliche Gewalt oft in Form einer wechselseitigen Eskalation erfolgt, was das sexistische Vorurteil vom „Prügler Mann“ widerlegt.
Auf der Grundlage eines Interviews mit mir veröffentlichte die „Welt“ einen Artikel darüber, wie männliche Opfer häuslicher Gewalt ganz allmählich von der deutschen Politik entdeckt werden. Für diese Opfer, die vor 20 Jahren noch unsichtbar waren, gibt es in Nordrhein-Westfalen und Bayern inzwischen erste Hilfstelefone. Ein bundesweites Männerberatungsnetz ist im Aufbau und es existieren die ersten Notunterkünfte („Männerhäuser“) für Opfer. Auch der Weiße Ring hat die Bedeutung des Themas „Gewalt gegen Männer“ erkannt.
Mit dem Koalitionsvertrag, den die nordrhein-westfälische FDP 2017 mit der CDU abschloss, wurden in den Bereichen Gesundheit und Gewaltschutz erstmals maskulistische Forderungen Regierungspolitik auf Landesebene.
Im November 2019 verkündete Bayerns Sozialministerin Kerstin Schreyer (CSU), dass die Bayerische Staatsregierung im Rahmen des Drei-Stufen-Plans zum Gewaltschutz und zur Gewaltprävention vier Millionen Euro jährlich zur Verfügung stellen wird, die schwerpunktmäßig für den Schutz und die Prävention von häuslicher und/oder sexualisierter Gewalt gegen Männer vorgesehen sind.
Anfang 2020 erklärte Bundesfrauenministerin Franziska Giffey (SPD), qualitative Männerarbeit mit 1,15 Millionen Euro fördern zu wollen, und übernahm zur Begründung zentrale maskulistische Argumente wie den hohen Männeranteil unter Selbstmördern, Gewaltopfern und Obdachlosen. MANNdat hat zwar schnell nachgerechnet, dass es sich bei den Versprechungen Giffeys um kaum mehr als Lippenbekenntnisse handelt, aber schon dass eine Frauenministerin sich hierzu gedrängt fühlte, war ein weiterer Schritt nach vorne.
Die Stadt Nürnberg hat als erste deutsche Stadt das Amt eines Männerbeauftragten eingerichtet.
Viele Jahre nach dem ersten Frauengesundheitsbericht hat sich das Robert-Koch-Institut auch zu einem Männergesundheitsbericht durchgerungen.
Männerfeindliche Reklame wie z.B. von EDEKA wird aufgrund einer Flut von Eingaben inzwischen vom deutschen Werberat gerügt, statt dass es weiter heißt: „Echte Kerle stehen da drüber, und wer wegen Männer-Bashing rumflennt, ist eine Memme.“ Gleichzeitig erfreut sich die männerfreundliche Reklame eines Uhrenkonzerns aufgrund starker Verlinkung durch die weltweite maskulistische Bewegung hunderttausendfacher Zustimmung.
Cassie Jayes Dokumentation über die Männerrechtsbewegung „The Red Pill“ wurde auf dem Internationalen Idyllwild-Filmfestival 2017 zum besten Film gewählt und gewann unabhängig davon den Women-in-Film-Award.
All diese Entwicklungen sind angesichts der Riesenliste männerpolitischer Baustellen, die seit Jahrzehnten vernachlässigt werden, natürlich nur ein Anfang. Männerfreundliche Politik steckt hierzulande in den Kinderschuhen. Allerdings musste jeder einzelne Erfolg gegen ein massives Meinungskartell des politischen Mainstreams und der Leitmedien erkämpft werden. Angesichts dieser schwierigen Auslangslage ist uns auf unserem Weg zu einer ganzheitlicheren Geschlechterpolitik ein Anfang gelungen, auf den ich durchaus stolz bin.